Im Zuge der Sicherung unserer Wettbewerbsfähigkeit, ist die Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse zu einer der wichtigsten Agenden auf Seiten der “Wirtschaft”, Arbeitgeberverbände und der konservativen sowie neoliberalen Kräfte im Land geworden. Leiharbeit bildet neben politischen Maßnahmen, wie etwa dem von ÖVP und NEOS geforderten 12-Stunden Tag einen Ansatz, bei dem die Flexibilisierung zur Gänze auf die Arbeitnehmer überwälzt wird.
Leiharbeit hat sich in diesem Jahrtausend von einem Nischen- zu einem Milliarden-Business gewandelt. Sie ist im Mainstream der Arbeitsverhältnisse angekommen. Die neoliberale Logik der Krisenpolitik hat dazu geführt, dass eine Krise, die vom Finanzkapital verursacht wurde, die Schwächsten der Gesellschaft am Härtesten trifft. Die Position von Arbeitnehmern wurde dadurch erheblich geschwächt. Die Reform des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes hat zwar
punktuelle Verbesserungen herbeigeführt, doch noch lange nicht die Missstände beseitigt. Nach wie vor sind LeiharbeiterInnen gezwungen unter prekärsten Verhältnissen zu arbeiten.
Anfang 2013 waren rund 80.000 Menschen über Leihfirmen beschäftigt. Zum Vergleich waren es Ende des letzten Jahrtausends noch keine 20.000. Ein eindeutiger Trend. Die Einzigen, die von Leiharbeit profitieren sind die Arbeitgeber. Immerhin wird dadurch das unternehmerische und wirtschaftliche Risiko, etwa bei der Entwicklung der Auftragslage, auf die LeiharbeiterInnen abgewälzt. Die „Reduktion“ von LeiharbeiterInnen geschieht oft unterhalb der Aufmerksamkeitsschwelle der Öffentlichkeit und wird somit kaum wahrgenommen.
Ein Job, zwei Chefs
Ihr Geld verdienen Leihfirmen, weil durch sie gesetzliche Regelungen zum Schutz von Arbeitnehmern umgangen werden können. Zusätzliche Arbeitsplätze werden dadurch kaum gewonnen und wenn, Großteiles in den Verwaltungsebenen der Leihfirmen selbst. Leihfirmen existieren also auf Kosten der Leiharbeiter, welche ohnehin regelmäßig unterbezahlt sind. Es zahlen also Arbeiter, die knapp über dem Existenzminimum leben, die Gewinne der Leihfirmen.
Leiharbeit neu bewerten
Wollen wir es zur Norm werden lassen, dass die arbeitende Bevölkerung von einem Mittelsmann abhängig ist, der über ihre berufliche Zukunft (mit-)entscheidet? Im Hinblick auf die ständig steigenden Zahlen von Leiharbeit und prekären Beschäftigungsverhältnissen im Allgemeinen, muss die Politik endlich ein Zeichen gegen die untragbare Kluft zwischen arbeitsrechtlicher Theorie und Praxis in der österreichischen Arbeitswelt setzen.
Übernahmspflicht
Leiharbeit bedeutet auch einen Bruch mit dem Leistungsgedanken, mit dem die wirtschaftsliberalen Kräfte sonst gerne hausieren gehen. Da man als Leiharbeiter nicht Teil der Belegschaft ist in der man arbeitet, hat man auch keine Aufstiegschancen innerhalb der Firmenhierarchie. Leistung ist in dieser Form der Beschäftigung kein Kriterium für wirtschaftliches Fortkommen. Es gibt zwar Unternehmen, die Leiharbeiter regelmäßig übernehmen, die Wartezeiten sind aber enorm lange. Sie beträgt in der Regel 2 Jahre, was einer übermäßig langen Probezeit gleichkommt, in welcher der Arbeiter jederzeit vor vollendete Tatsachen gestellt werden kann. Tatsächlich arbeiten nur 29% der LeiharbeiterInnen länger als sechs Monate bei derselben Firma.
Lohngerechtigkeit – Mindestlohn ¿cuándo?
Auch die Löhne von Leiharbeitern liegen im Schnitt weit unter jenen der Stammbelegschaft. Die Wirtschaftskammer verweist zwar auf die gesetzliche Regelung, wonach für Leiharbeiter der Kollektivvertrag der Stammbelegschaft gilt. Jedoch wird das in der Praxis auf mehrere Arten umgangen, beispielsweise indem LeiharbeiterInnen im Kollektivvertrag regelmäßig zu niedrig eingestuft werden. In manchen Teilbetrieben besteht die Belegschaft zur Gänze aus LeiharbeiterInnen, für die dann aus Mangel an Personen aus der Stammbelegschaft nur der KV der Arbeitskräfteüberlassung gilt, welcher lediglich einen Stundenlohn von EUR 8,79 Brutto für das erste Jahr vorsieht. Eine Möglichkeit hierfür wäre der von der SPÖ im Wahlkampf geforderte Mindestlohn von 1400 Euro, der für viele tatsächlich einen großen Unterschied ausmachen könnte.
Auch werden Leiharbeiter überdurchschnittlich oft nicht oder zu spät bezahlt. Laut AK wurde letztes Jahr in diesem Sektor ein Großteil aller rückständigen Löhne eingeklagt. Viele Arbeiter wissen über ihre Rechte und Möglichkeiten zur Einforderung ihrer Löhne aber nicht Bescheid und machen nie Gebrauch davon. Auch jene die Bescheid wissen trauen sich, aufgrund ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit, nicht während aufrechtem Arbeitsverhältnis rechtliche Schritte gegen ihren Arbeitgeber zu setzen und sind oft gezwungen diese Ungerechtigkeiten über sich ergehen zu lassen.
Arbeitnehmer schützen
Die Branche verzeichnet eine überdurchschnittliche Häufung von Krankenständen. Laut der AK Oberösterreich beziehen LeiharbeiterInnen auch 2,5 mal öfter Krankengeld als der Durchschnitt. In der Praxis werden kranke LeiharbeiterInnen nämlich oft einfach abgemeldet und für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit, auf Kosten der Allgemeinheit, auf Sozialleistungen verwiesen.
Die Häufung ist zum einen auf die harte körperliche Arbeit, zum anderen auf die hohe psychische Belastung zurück zu führen, ausgelöst durch die unsichere Arbeitssituation und das mangelnde Zugehörigkeitsgefühl zum Betrieb und zur Belegschaft. Ohne Aufstiegschancen fehlt es oft an einer Perspektive.
Es sind Fälle bekannt, in denen ArbeitnehmerInnen aus der Stammbelegschaft gekündigt und später als LeiharbeiterInnen im selben Unternehmen wieder eingestellt werden. Auch der Fall eines Leiharbeiters der seit 8 Jahren im selben Unternehmen immer noch über eine Leihfirma angestellt ist, obwohl ihm im Unternehmen eine zentrale Rolle zukommt, ist besorgniserregend.
Da diese Art der Beschäftigung immer weitere Kreise zieht, geht mit ihr eine allgemeine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen einher. Letztlich wird auch die Stammbelegschaft eines Betriebes durch die Möglichkeit zur Aufnahme billiger(er) LeiharbeiterInnen unter Druck gesetzt.
Sebastian Grill