Die Regierung hat sich geeinigt. Seit der Neuauflage der Koalition war die Steuerreform ein wichtiges Thema. Ein Projekt, von dem fast alle profitieren sollen, nicht zuletzt die Regierungsparteien. Die SPÖ wäre eigentlich prädestiniert für die Umsetzung einer Steuerreform zur Entlastung der arbeitenden Österreicher.
Die Aufgabe: Die Masse der Arbeitnehmer soll spürbar mehr Einkommen haben. Was auch bedeutet, dass die Reform nicht alleine durch die Anhebung von Massensteuern finanziert werden kann. Das würde auf eine Selbstfinanzierung durch die Erwerbstätigen hinauslaufen. Auf der anderen Seite können wegen der angespannten finanziellen Lage (nach Bankenrettungen und HYPO-Skandal) auch nicht offen neue Schulden zur Finanzierung gemacht werden. Vermögensbezogene Steuern hätten sich natürlich angeboten und wären auch die große Chance für die SPÖ gewesen, eines ihrer zentralen Wahlversprechen einzulösen.
Herausgekommen ist ein Mix aus Verwaltungseinsparungen, (voraussichtlich) neuen Schulden, Massensteuern und vermögensbezogenen Steuern. Trennt man die Entlastung der Arbeitseinkommen von der Gegenfinanzierung, erhält man zwei ungleiche Teile der Reform.
Gute Reform…
Die Neuerungen treten am 1.1.2016 in Kraft. Es wird dann 6 statt bisher 3 Tarifstufen geben. Lohnsteuer zahlt man weiterhin ab einem Jahreseinkommen von 11.000 Euro. Der Steuersatz beträgt aber bis zu einem Jahreseinkommen von 18.000 Euro nur mehr 25%. Damit wird der Eingangssteuersatz von derzeit 36,5% deutlich gesenkt. Auch bei den anderen Tarifstufen kommt es zu einer spürbaren Entlastung. Eine Mehrbelastung gibt es dagegen für Einkommen von über einer Million Euro im Jahr, die jetzt mit dem neuen Spitzensteuersatz von 55% besteuert werden. [Die Änderungen im Detail]
Auch die Negativsteuer wurde erhöht. Das bedeutet, dass sich Bezieher von sehr kleinen Einkommen bis zu 400 Euro des Sozialversicherungsbeitrages zurückholen können (bisher 110 Euro). Eine Neuerung ist, dass jetzt auch Kleinpensionisten Anspruch auf eine Negativsteuer von bis zu 110 Euro haben.
Ob man die Neuregelung nun als große Reform oder Detailänderung sehen will: Die Entlastung von Arbeitseinkommen war auf jeden Fall ein notwendiger und richtiger Schritt, wenn auch nur der erste von hoffentlich vielen.
…schlechte Reform
Die Gegenfinanzierung schmeichelt der SPÖ dagegen weniger. Die Partei hat eines ihrer großen Wahlversprechen gebrochen. Nicht nur die absolute Höhe der Steuerbelastung auf Arbeitseinkommen in Österreich ist problematisch, sondern auch die Kluft zwischen Arbeits- und Vermögensbesteuerung sowie die Verteilung des Vermögens. Daran wird die Reform nichts ändern.
Von Anfang an war klar, dass vor allem die stärkere Besteuerung von Vermögen zu einer tatsächlichen Entlastung der Erwerbstätigen führen könnte. Angesichts der größten Vermögenskonzentration in der Geschichte der zweiten Republik (1% der Österreicher hält fast 40% des Vermögens) und im internationalen Vergleich sehr niedriger Steuerquoten, hätte vieles für Vermögenssteuern gesprochen. Schon die Anhebung des Anteils der Vermögenssteuern am BIP (ca. 0,5%) auf den Durchschnitt der OECD-Staaten (ca. 1,8%), hätte diese Reform komplett finanzieren können.
Stattdessen ist eine verstärkte Betrugsbekämpfung geplant, etwa durch die Einführung einer Registrierkassenpflicht für alle Betriebe. Diese Maßnahmen sind in den meisten Fällen sicher gut und sinnvoll. Es muss aber daran gezweifelt werden, ob sie wirklich zu den versprochenen Einnahmen führen. Die Skepsis unter Steuerexperten ist groß. Und wieso braucht es eigentlich eine Steuerreform, damit in Österreich gegen Steuerbetrug vorgegangen wird?
Ein weiterer Punkt der Gegenfinanzierung ist die Erhöhung verschiedener Steuern. Einige Mehrwertssteuersätze und die Grunderwerbssteuer fallen darunter, also durchaus Steuern die wieder die breite Masse der „Entlasteten“ treffen. Dagegen ist eine Erbschaftssteuer, die nur ein Prozent der Bevölkerung getroffen hätte, politisch nicht durchsetzbar. Bei Massensteuern scheint der Koalitionspartner ÖVP um einiges flexibler zu sein, als bei Millionärssteuern. Auf der anderen Seite ist es bei der Grunderwerbssteuer wichtig, dass jetzt nicht mehr von den (völlig unterbewerteten) Einheitswerten ausgegangen werden soll, sondern vom Verkehrswert. Immerhin war es gerade die Ungleichbewertung von Immobilien und anderen Vermögenswerten, die den Verfassungsgerichtshof 2007 dazu veranlasste, die Erbschafts- und Schenkungssteuer aufzuheben.
Vermögenssteuern bleiben weiterhin ein Ziel der SPÖ, sagte jedenfalls Werner Fayman in der letzten „ORF-Pressestunde“. Da stellt sich die Frage, warum nicht härter um deren Einführung gekämpft wurde. Schon die mangelnde Bewerbung der Vermögenssteuerkonzepte der SPÖ im Vorfeld legt den Schluss nahe, dass ihre Umsetzung nie ein vorrangiges Ziel der Parteiführung war. Zumindest war die Einigung mit der ÖVP noch vor den Gemeinderats- und Landtagswahlen wichtiger. Durch das Abgehen von den Einheitswerten bei der Grunderwerbssteuer, wäre der Weg für eine neue Erbschaftssteuer eigentlich frei. Die SPÖ-Führung wird beweisen müssen, dass sie zu ihrem Wort steht. Nach dem schnellen Einknicken bei den Verhandlungen zur Steuerreform, sind Zweifel daran berechtigt.
Sebastian Grill